29. September 2023 20:00

Politiker und ihre Vergangenheit Unterwanderte Institutionen und verschwiegene Skandale

Prägend für Staat und Gesellschaft: Kommunistische Biographien aus Westdeutschland

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Markus Wissmann / Shutterstock Ehemalige SPD-Politikerin Ulla Schmidt: Kann auf eine wilde kommunistische Vergangenheit zurückblicken

Was vereint Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Ex-Grünen-Chef Reinhard Bütikofer und Ulla Schmidt? Alle drei starteten ihre politische Karriere beim „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“.

Während die heutigen Grünen-Politiker Kretschmann und Bütikofer auch bundesweit einigermaßen bekannt sind, geriet die SPD-Politikerin Ulla Schmidt mittlerweile etwas in Vergessenheit, obwohl sie die bislang dienstälteste Gesundheitsministerin dieses Landes war. Über ihre Amtszeit von 2001 bis 2009 spricht heute fast niemand mehr, obwohl viele ihrer damaligen Fehlentscheidungen, häufig angestoßen durch ihren einstigen, heute leider bestens bekannten Chefberater Karl Lauterbach, Ursache für die immer dramatischere Dysfunktion des überwiegend staatssozialistisch organisierten deutschen Gesundheitssystems sind.

Noch weniger spricht man über die Vergangenheit der ehemaligen Ministerin oder über ihre politische Herkunft, die stellvertretend für eine ganze Generation von bundesdeutschen Politikern steht, die später bei SPD und den Grünen Karriere machten. Woher kam diese Generation, die wie Kretschmann, Bütikofer und Schmidt in den Gründerjahren der Bundesrepublik geboren wurden?

Ulla Schmidt startete ihre politische Karriere Anfang der Siebzigerjahre als radikale Maoistin im Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und ihre jetzige Partei, die SPD. Man kann wahrscheinlich kaum von einer nachlässigen Jugendsünde sprechen, wenn man sich die bewegte Biographie Ulla Schmidts genauer betrachtet. Sie agierte seit Mitte der Siebzigerjahre mit Ende 20 in höchsten Führungsfunktionen und als Kader einer extrem radikalen und als gewaltbereit geltenden maoistischen Partei, dem schon erwähnten Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW). Im Programm des KBW hieß es 1975 auf Seite 16: „Solange die Bourgeoisie über bewaffnete Formationen zur Verteidigung des kapitalistischen Eigentums verfügt, wird das Proletariat die politische Macht mit Waffengewalt erkämpfen müssen.“ Der KBW war wahrscheinlich die größte Formation unter den sektiererischen „K-Gruppen“, eine streng maoistische Kaderorganisation, hervorgegangen aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund der 68er-Bewegung. KBW-Mitglieder wurden dazu gezwungen, mindestens zehn Prozent ihres Bruttoeinkommens an die Partei abzuführen. Auf die Parteimitglieder wurde ein starker Druck ausgeübt, der auch vor psychischem Terror nicht zurückschreckte und den Mitgliedern überobligatorische Beiträge abverlangte. Dadurch verfügte der KBW neben einer Reihe hauptberuflicher Funktionäre auch über eine gut ausgebaute technische Infrastruktur, wie zum Beispiel einen eigenen Fuhrpark, ein für damalige Verhältnisse äußerst modernes Redaktionssystem, über eigene Parteigebäude in mehreren Großstädten, eine eigene Druckerei, einen Buchvertrieb und über eigene Verlage. Ideologisch sah der KBW seine Vorbilder in Massenmördern wie dem 1976 verstorbenen Mao Tse-tung oder dem kommunistischen Diktator von Kambodscha, Pol Pot. Der KBW sympathisierte offen mit den dortigen steinzeitkommunistischen Terrorregimen, unter anderem auch mit dem in Albanien. Im Dezember 1978 reiste eine KBW-Delegation auf Einladung der Roten Khmer nach Kambodscha, wo diese unter ihrem Führer Pol Pot gerade zwei bis drei Millionen „Klassenfeinde“ ermordet hatten – eines der unfassbarsten Verbrechen in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Auch der als Schlächter von Afrika berühmt gewordene ugandische Diktator Idi Amin galt dem KBW als fortschrittlicher Staatschef. Zugleich wurden auch andere Terrororganisationen wie der ANC in Südafrika und das Regime des Diktators Robert Mugabe in Zimbabwe unterstützt. An der Spitze des elfköpfigen Zentralkomitees (ZK) des KBW stand nach leninistischem Vorbild ein ZK-Sekretär. Diese Funktion erfüllte ein gewisser Joscha Schmierer, der gleichzeitig auch Herausgeber des Zentralorgans der Partei, der „Kommunistischen Volkszeitung“, war und die abstrusen Lehren von Sozialismus, Kommunismus, Gewalt und Klassenkampf verbreitete, bis er 1983 den Grünen beitrat und seinen Marsch durch die Institutionen erfolgreich mit einer Spitzenstellung ab 1999 im Auswärtigen Amt abschließen konnte: Der wegen schweren Landfriedensbruch vorbestrafte Joscha Schmierer gehörte dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes an. Schmierer war damit zunächst Außenminister Joschka Fischer unmittelbar unterstellt, persönlich zuständig für Grundsatzfragen der Europapolitik und wurde bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2007 von Fischers Amtsnachfolger Frank-Walter Steinmeier übernommen.

Die Ablehnung der Sowjetunion als zu nachgiebig und inkonsequent und die Zuwendung zur maoistischen Kulturrevolution, deren Terror zwischen 1966 und 1976 Millionen von Menschenleben in China forderte, war ein wichtiger Bestandteil der Weltanschauung des KBW. 1976 kandidierte Ulla Schmidt auf Platz zwei der nordrhein-westfälischen Landesliste des KBW und als Direktkandidatin in der Stadt Aachen. Neben ihr schafften später mehrere KBW-Genossen den Einzug in den Bundestag, allerdings auch bei anderen linken Parteien, wie zum Beispiel Ursula Lötzer für „Die Linke“ und Winfried Nachtwei und Krista Sager für die Grünen. 1976 war Schmidts Gegenkandidat übrigens ein gewisser Dieter Schinzel von der SPD. Er sollte später zum politischen Ziehvater der erfolgreichen, als Aachener SPD-Direktkandidatin in den Bundestag gewählten Politikerin Ulla Schmidt werden. An ihre Zeit beim KBW erinnerte sich Frau Schmidt später nicht mehr so gern. In einem Interview mit der Zeitschrift „Cicero“ im April 2006 spricht sie nur von „bewegten Zeiten“, will sich zu Details ihrer damaligen Aktivitäten aber nicht äußern – wie beispielsweise zu der Frage, warum sie nach Abschluss ihres zweiten Lehramtsexamens 1976 keine Erklärung zur Verfassungstreue abgeben wollte und deswegen zunächst nicht als Volksschullehrerin in den staatlichen Schuldienst übernommen wurde. In der „Kommunistischen Volkszeitung“ vom 15. Juli 1976 wird sie daraufhin als Heldin gefeiert, weil sie sich in einem offenen Brief an den Regierungspräsidenten geweigert hatte, einen Eid auf das Grundgesetz abzulegen.

Nach einer Tätigkeit im Kaufhaus Woolworth in Aachen weist ihr die staatliche Schulbehörde schließlich eine Stelle als Sonderschullehrerin in Stolberg, im Kreis Aachen, zu. In ihrem Interview mit der Zeitschrift „Cicero“ entrüstet sich Schmidt über den Vorwurf, sie habe die Kinder in ihrer Klasse damals gedrängt, Geld für Waffen für den Aufstand in Zimbabwe zu spenden: „Sie haben mir geschrieben, ich hätte mörderische Regimes unterstützt.“ Stattdessen hätten ihre Schüler nach einer Buchlektüre über Kinder in Zimbabwe Geld spenden wollen, so Schmidts heutige Version. Mehr sagt sie nicht. Sie erzählt nichts davon, dass KBW-Jugendgruppen ganze Lagerfreizeiten unter dem Motto „Gewehre für die Jugend in Zimbabwe – proletarische Revolution und bewaffneter Aufstand in Deutschland“ veranstalteten. Auch nicht, dass ihr eigenes Parteiblatt die Geschichte damals selbst ins Rollen gebracht und über die Spendenaktion in der Schule unter dem Titel „Gewehre für die Jugend Zimbabwes“ berichtet hatte, dass eine „U. Schmidt“ in ihrer Klasse 30 Mark einsammeln ließ.

Dennoch wird Schmidt als Lehrerin rehabilitiert und marschiert wie viele ihrer einstigen Genossen erfolgreich durch die Institutionen. Im Bundestagswahlkampf 1983 entdeckte der schon erwähnte SPD-Abgeordnete Schinzel ihr „politisches Talent“, sodass sie noch im selben Jahr in die SPD eintrat und 1990 das Bundestagsmandat errang. 1985 löste sich der KBW offiziell auf, nachdem er sein Vermögen in einen Verein eingebracht hatte, der die Grünen unterstützen sollte. Das (ursprünglich für etwa drei Millionen Deutsche Mark erworbene) Gebäude seines Frankfurter Hauptquartiers konnte gewinnbringend für circa 30 Millionen Mark an die Commerzbank veräußert werden. Auch zahlreiche ehemalige Mitglieder, wie zum Beispiel Ralf Fücks und Willfried Maier (Senator der Grünen in Hamburg) fanden später ihre politische Heimat bei den Grünen, wie auch ihre ehemaligen Sponti-Genossen Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit. Andere kehrten ins bürgerliche Berufsleben zurück und machten trotz ihrer linksradikalen Vergangenheit in Industriefirmen und Verbänden beachtliche Karrieren. Auffallend viele KBW-Aktivisten waren als Ärzte, Lehrer, Rechtsanwälte und Professoren tätig. Sogar zwei evangelische Pfarrer, Pastorin Edda Groth aus Hamburg-Bramfeld und Pastor Eckard Gallmeyer aus Quickborn/Ellerau, fanden sich in den Reihen des KBW.

Das eingangs schon erwähnte KBW-Mitglied Reinhard Bütikofer saß für die Kommunistische Hochschulgruppe (KHG), einer Nebenorganisation des KWB, im AStA (Allgemeiner Studentenausschuss) der Universität Heidelberg, an der er von 1973 bis 1982 Philosophie, Geschichte, Alte Geschichte und zeitweise Sinologie, natürlich ohne Abschluss, studierte. Sinnigerweise war Bütikofer in dieser Zeit auch Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft. 1998 wurde er Bundesgeschäftsführer des Bündnis 90/Die Grünen und 2002 sogar einer ihrer Bundesvorsitzenden, bis er 2009 von Cem Özdemir abgelöst wurde.   

Andere prominente Mitglieder des KBW beziehungsweise der KHG waren der schon erwähnte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, ehemaliger grüner Umweltsenator in Bremen (KHG Heidelberg, später Bremen), Hans-Jörg Hager, Vorstandsvorsitzender der Schenker Deutschland AG (ehemals ZK des KBW und von 1976 bis 1978 verantwortlicher Redakteur der „Kommunistischen Volkszeitung“), Eberhard Kempf, Strafverteidiger („Gesellschaft zur Unterstützung der Volkskämpfe“, bis 1977 Verteidiger von Angeklagten in Demonstrationsprozessen, danach Frankfurter KBW-Zentrale), Hermann Kuhn, von 1995 bis 2003 Grüner Vizepräsident der Bremischen Bürgerschaft (als Lehrer „Opfer“ des Radikalenerlasses), oder Horst Löchel, Professor an der Bankakademie e.V./Frankfurt School of Finance & Management.

Winfried Kretschmann studierte in den Siebzigerjahren wie seine Genossin Ulla Schmidt Lehramt, gehörte ebenfalls dem KBW an und war für die KHG mehrere Jahre AStA-Vorsitzender an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Dort beschimpfte er laut einem Interview im Südwestrundfunk vom Januar 2022 den dortigen Universitätspräsidenten George Turner gerne als „Kapitalisten-Knecht“. Der spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde wegen seiner maoistischen Umtriebe auch vom Verfassungsschutz beobachtet und wurde als Lehrer zunächst nicht in den Staatsdienst übernommen. Er musste daher an einer Stuttgarter Privatschule unterrichten, bis er, unter bis heute nicht geklärten Umständen, wohl Anfang der Achtzigerjahre für das Lehramt an Gymnasien in den Staatsdienst übernommen wurde. Der lebende Beweis, dass der sogenannte „Radikalenerlass“ nur ein zahnloser Tiger war. 

Als Ulla Schmidt 2001 erstmals ins Kabinett Schröder berufen wird, trifft sie dort nicht nur auf Joschka Fischer, sondern auch auf Jürgen Trittin, ein ehemaliges Mitglied einer anderen kommunistischen Splittergruppe namens KB-Nord. Viele Ärzte, die von Ulla Schmidts damaligen „Gesundheitsreformen“ betroffen waren, zeigten sich spätestens nach Schmidts erneuter Berufung zur Gesundheitsministerin überzeugt davon, dass sie mit „lehrbuchartiger Genauigkeit“ das deutsche Gesundheitswesen in eine dirigistische Verwaltungsbürokratie kommunistischer Prägung umwandeln wolle. Schon 2006 resümierte das Magazin „versicherungstip“: „Das damalige nachhaltige Engagement, dessen heutige Vertuschungsversuche und ein Gesundheitsreform-Entwurf, der Enteignungscharakter hat, sind deutliche Zeichen, dass kommunistisches Gedankengut bei Ulla Schmidt die Zeit überdauerte.“

Schmidt, Bütikofer, Kretschmann und alle anderen Genannten hat ihr radikaler Aktivismus bei einer der linksextremen K-Gruppen nicht geschadet, ganz im Gegenteil: Sie konnten erfolgreich durch die Institutionen marschieren, weil sich ihnen niemand in den Weg stellte. Schlimmer noch: Staatliche Einrichtungen, vor allem das staatliche Bildungssystem wie die Universitäten, boten ihnen eine Spielwiese für ihre menschenverachtende Propaganda. Staatliche Schulbehörden brachten sie nicht nur in Lohn und Brot, sondern lieferten später viele arglose Schulkinder diesen kommunistischen Agitatoren aus. Wer Ursachen für den Niedergang dieses Landes sucht, wird sie vor allem im staatlichen Bildungssystem der Bundesrepublik finden, genauer gesagt in den misslungenen Bildungsreformen seit Ende der Sechzigerjahre.


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