19. Oktober 2023 08:00

Weltweite Verflechtungen Lassen sich globale Probleme nur durch eine internationale Harmonisierung lösen?

Über die Gefahren eines zentralisierten Masterplans

von Olivier Kessler

von Olivier Kessler drucken

Artikelbild
Bildquelle: Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 Deed „Unabhängige“ Weltgesundheitsorganisation: Zu 80 Prozent von privaten Geldgebern und Stiftungen, wie der Bill und Melinda Gates Foundation, finanziert

Alle profitieren auf die eine oder andere Art von der Globalisierung und der intensivierten internationalen Arbeitsteilung. Jedoch ist es zutreffend, dass mit der Globalisierung aufgrund der internationalen Verflechtung einige Herausforderungen komplexer geworden sind. Darauf reagieren nun einige mit der Forderung nach Abschottung. Das Bedürfnis, sich vor einer Globalisierung der Probleme schützen zu wollen, ist zwar verständlich, jedoch zeigt die Erfahrung, dass eine Abkoppelung von internationalen Märkten mit massiven Abstrichen beim Wohlstand und bei der individuellen Freiheit verbunden ist.

Andere wiederum reagieren mit dem Ruf nach einer internationalen politischen Harmonisierung und einer Vereinheitlichung der Vorgehensweisen. Es könne nicht sein, dass einzelne politische Gebietskörperschaften ausscheren und jeder für sich irgendetwas bastle. Optimalerweise brauche es daher spezialisierte globale Steuerungsinstanzen wie etwa die Uno und ihre verschiedenen Agenturen, die sich der Herausforderung annehmen und die Marschrichtung für alle verbindlich vorgeben können.

Fragwürdig bei dieser zweiten Reaktion ist bereits der Begriff der „Harmonisierung“, denn dieser impliziert eine größere Harmonie aufgrund der Vereinheitlichung. In Tat und Wahrheit verursacht die Umsetzung eines zentralisierten Masterplans einer technokratischen Führung in den allermeisten Fällen größere Schäden und Disharmonie als das bewusste Zulassen von Vielfalt und unterschiedlichen Herangehensweisen.

Die komplexeren Herausforderungen der Globalisierung erfordern nicht einen von einer internationalen Organisation oder einem globalen Steuerungsgremium zwangsweise allen aufgedrückten Einheitsplan, sondern das Ausprobieren verschiedener Lösungsansätze durch eine Vielzahl von Akteuren. Es mag sein, dass eine internationale Funktionärskaste durch glücklichen Zufall einen optimalen Plan ausarbeitet. Doch was, wenn nicht? Was, wenn diese zentrale Planbehörde aus Mangel an notwendigem Wissen, aus Unfähigkeit oder aus machtpolitischem Kalkül allen ein unbrauchbares Vorgehen diktiert und suboptimale Vorschriften überstülpt? In diesem Fall würde sich der Irrtum vervielfältigen, was Schäden in kolossalem Ausmaß zur Folge hätte.

Im Gegensatz dazu erlaubt der internationale zwischenstaatliche Wettbewerb eine Vielfalt von möglichen Lösungsansätzen, die an verschiedenen Orten und entsprechend den Präferenzen der ansässigen Bevölkerung ausprobiert werden können. Jene Lösungen, die sich bewähren und Erfolg haben, dürften sich durchsetzen und bald auch an anderen Orten nachgeahmt werden. Irrtümer hingegen betreffen so einen viel geringeren Personenkreis und können angesichts erprobter und besserer Alternativen zudem auch leichter wieder durch bessere Strategien und Lösungen ersetzt werden, die andernorts größeren Erfolg verzeichnen konnten.

Nehmen wir zur Veranschaulichung dieser Mechanismen den Ausbruch und die globale Verbreitung des Coronavirus 2020. Die Reaktion der zuständigen Behörde, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren Hauptaufgabe die internationale Koordination in der Bekämpfung von Epidemien wäre, ließ sehr zu wünschen übrig. Als bereits Berichte über die internationale Verbreitung des Coronavirus die Runde machten, vertrieb sich der geschäftsführende Vorstand der WHO zunächst die Zeit mit unwichtigen Nebenschauplätzen wie etwa dem Vorschlag universeller Krankenkassen. Anstatt sich dem dringenden Problem der globalen Ausbreitung des Virus anzunehmen, interessiert man sich viel mehr für etatistisch-ideologische Einflussnahme auf lokale Gesundheitssysteme. Die offensichtliche radikal-politische Orientierung macht zudem die WHO anfällig für die Gunst von diktatorischen Regimes, unter anderem die Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas oder zum ehemaligen simbabwischen Autokraten Robert Mugabe, der 2017 als WHO Goodwill Ambassador angedacht wurde.

Ähnliche Mechanismen sind bei der internationalen Bekämpfung des Klimawandels zu beobachten. Mit dem Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 einigten sich die Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen, einheitliche Methoden sowie auf das Delegieren von Kompetenzen an ein zentralisiertes globales Geflecht von Bürokraten und Gremien, die sich keiner demokratischen Rechenschaft stellen müssen.

So ist es heute das Leitungsgremium des Abkommens, das bestimmt, ob Biokraftstoffe oder Kerntechnologie als Klimaschutzmaßnahmen in Erwägung gezogen werden dürfen. Es interessiert dabei nicht, ob diese Technologien die Treibhausgasemissionen zu reduzieren vermögen. Vielmehr ist entscheidend, ob das zentrale Führungsgremium eine Maßnahme in die Liste der „akzeptablen“ Klimaschutzmaßnahmen aufnimmt. So führt zwar die Ersetzung von Kohlestrom durch Atomkraftwerke in China zu einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, doch das Land darf sich dies nicht anrechnen lassen, weil das Führungsgremium die Nuklearenergie aus ideologischen Gründen bekämpfen will. Auch hier: Meist steht bei solchen zentralisierten Machtgremien nicht das Lösen globaler Probleme im Vordergrund, sondern die Machtausübung und Machtausweitung.

Nehmen wir als weiteres Beispiel die Bekämpfung von „Steueroasen“ und der „Steuerflucht“ durch die G20, die mit der Enthüllung der sogenannten Panama und Paradise Papers zusätzlich angeheizt wurde. Hochsteuerländer, in denen die Bürger ausgebeutet werden, versuchen die internationale politische Kooperation dahingehend für die Verfolgung ihrer eigenen Interessen einzusetzen, indem sie Länder mit moderateren Steuern und einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis unter Druck setzen. Damit werden Unterschiede eingeebnet und den Bürgern die Möglichkeit genommen, mit ihren Füßen abzustimmen und mit ihrem Kapital an Orte auswandern, wo sie vom Steuerstaat etwas weniger aggressiv belangt werden.

Es ist höchste Vorsicht geboten, wenn sich Staaten zusammentun und Kooperationen verkünden. Denn damit bilden sie ein Kartell und hebeln nicht selten den wichtigen Wettbewerb zwischen politischen Gebietskörperschaften aus, der für die Wahrung der Freiheitsrechte und des Wohlstands elementar ist. Wirtschaftliche Globalisierung impliziert gerade das Gegenteil einer Vereinheitlichung, nämlich die Ausdehnung des Wettbewerbs auf globaler Ebene. Dies sollte ebenfalls in Bezug auf regulatorische oder steuerliche Bedingungen gelten: Nur so werden die bekannten Nachteile der Monopolisierung – höhere Kosten und minderwertige Leistungen – im öffentlichen Sektor einigermaßen gemildert.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Menschen selbst komplexe Probleme zu lösen imstande sind, wenn Raum für das Experimentieren, die Freiheit für das Fallenlassen schlechter Strategien und die Nachahmung besserer Lösungen besteht. Daher sind Versuche, diese Vielfalt in der Herangehensweise durch „Harmonisierungen“ zu reduzieren, nicht zielführend.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.