20. Oktober 2023 20:00

Genderkult, Klimasozialismus und Verbotswahn – Teil 1 Wer sind die geistigen Brandstifter?

Die ideologische Dominanz der Linken in Deutschland und ihre neomarxistischen Wurzeln

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Stroe Norske Leksikon Oktoberevolution am 26. Oktober 1917 in Russland: Als die kommunistischen Bolschewiki unter der Führung Lenins die Macht ergriffen

Erster Teil: Irren ist menschlich, aber immer irren ist marxistisch

Wie konnte die „neue Linke“ 50 Jahre nach ihrem Symboldatum „68“ zur alles dominierenden politischen Richtung in Kunst, Kultur, Medien und Funktionseliten aufsteigen?

Die erste Antwort liefert uns ein Blick zurück ins 19. Jahrhundert. Karl Marx und seinen Machern spielten die prekären sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft zu Beginn der Industrialisierung in die Hände. Die von ihnen geweckte uralte Sehnsucht nach der Gleichheit der Menschen und der Rückkehr zu einer paradiesischen, kommunistischen Urgesellschaft war letztlich nur ein Vehikel für ihren Drang zu politischer Macht.

Schon im orthodoxen Marxismus zeigte sich ein immer wiederkehrendes Motiv: die philosophische Rechtfertigung für Gewaltanwendungen aller Art, um ein hehres Ziel zu erreichen. Belege liefern vor allem die marxistische Klassenkampf- und die Verelendungstheorie. Der Marxismus gibt sich dabei als Widerstandsbewegung gegen die angeblich unzumutbaren herrschenden Verhältnisse aus. Abhilfe sei nur durch Revolution möglich. Die marxistische Verelendungstheorie als Bestandteil des dialektischen Materialismus postuliert einen historischen Determinismus, nämlich die geschichtliche Zwangsläufigkeit des Konflikts: Da die Geschichte eine Geschichte der Klassenkämpfe sei, komme es ohnehin zum gewalttätigen Konflikt. Die Arbeiter seien Opfer der historischen Umstände und würden durch Ausbeutung zur revolutionären Gewaltanwendung getrieben.

Das wiederkehrende Gewaltmotiv der Linken hat also immer einen Anlass, ist quasi aufgezwungen, indem die von der Linken ausgehende Gewalt semantisch zur „Gegengewalt“ uminterpretiert wird. Inspiriert von Lenins Leitsatz „Recht ist, was der proletarischen Klasse nützt“ präsentierte zum Beispiel Bertolt Brecht 1930 sein als Parabel konzipiertes sogenanntes „Lehrstück“ „Die Maßnahme“. Darin wird der Mord an einem als politisch unzuverlässig geschilderten Mitglied einer kommunistischen Untergrundgruppe damit gerechtfertigt, dass angeblich nur dadurch der revolutionäre Auftrag der Gruppe erfüllt werden konnte – Zitat aus dem von Hanns Eisler vertonten Stück: „Ich weiß nicht, was ein Mensch ist, ich kenn’ nur seinen Preis.“ Eine moralisch ähnlich unhaltbare Gewaltlegitimation lieferte später auch der Spiritus rector der linken deutschen Studentenrevolte, Herbert Marcuse, Vertreter der „Frankfurter Schule“, über die noch zu sprechen sein wird, in seinem 1965 erschienenen Essay „Repressive Toleranz“. Demnach akzeptiere die gegenwärtig im Westen herrschende Toleranz eine aggressive Außenpolitik, Aufrüstung, Chauvinismus und Diskriminierung aus rassischen und religiösen Gründen, die nicht zu tolerieren sei, sondern mit Gegengewalt bekämpft werden könne. Das Denken in solchen Zirkelschlüssen kennzeichnete nicht nur die terroristische RAF, sondern auch heutige linke Gewalttäter, wie die „Neue Züricher Zeitung“ vor einigen Jahren mit Blick auf Deutschland zutreffend feststellte: „Die linksextreme Szene von heute wird wohl kaum noch Marcuse lesen, dazu ist sie viel zu sehr mit Aktionen und Gewalt-Tourismus beschäftigt. Das Denkmuster indes, wonach der Eruption linker Gewalt immer eine Repression oder ein rechter Gewaltakt vorausgeht, ist in den Köpfen fest verankert. Brennt, wie jüngst in Leipzig, das Auto von Frauke Petry, heißt es auf der Internet-Plattform ‚linksunten.indymedia‘ prompt, das sei bloß die Quittung für eine ‚geistige Brandstifterin‘ …. Oder es gilt das Abfackeln von Luxuskarossen im Berliner Umland als legitime Antwort auf die Teilräumung der Rigaer Straße 94. Dort im Grünen wohnten ja ‚die Profiteure einer besitzstandswahrenden Gesellschaftsordnung‘, schrieb ein Kommentator und meinte: ‚Ein ‚bedroht ihr uns in unseren Räumen, bedrohen wir euch in euren‘ ist auf jeden Fall wirkungsvoll.‘ Pardon wird nicht gegeben, und die Toleranz gegenüber Minderheiten, auf die man so stolz ist, bleibt reserviert für Gesinnungsgenossen. Die Opfer linksextremer Gewalt hingegen sind in dieser Perspektive vor allem immer eins: selber schuld.“

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs hätte sich die Theorie von Karl Marx, wonach die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen sei, eigentlich erfüllen müssen. Stattdessen bekannten sich auch die meisten Marxisten in den kriegsführenden Ländern zu ihren jeweiligen Nationen. Die meisten SPD-Abgeordneten stimmten im Reichstag bekanntlich für die Kriegskredite, anstatt für das imaginäre internationale Proletariat einzutreten. Angesichts dieser Ereignisse formulierte der russische Berufsrevolutionär Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, eine neue These: Demnach sei der Imperialismus in Form des Weltkriegs erst noch ein weiteres Stadium des Kapitalismus. Abweichend von Marx vertrat Lenin nun darüber hinaus die Auffassung, dass die Revolution nicht in einem Land mit einer starken kapitalistischen Wirtschaft ausbrechen werde, sondern in einem wirtschaftlich unterentwickelten Land wie Russland. Dazu bedürfe es einer revolutionären Bewegung, die von einer disziplinierten Spitzengruppe angeführt werde, die notfalls bis zum Äußersten gehen müsse. Damit knüpfte Lenin an seine Forderung nach der „Diktatur des Proletariats“ auf dem Londoner Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands 1903 an. Seine damalige Parteitagsforderung hatte auch zur Spaltung der russischen Sozialdemokraten in Bolschewiki (russisch für „Mehrheitler“) und Menschewiki („Minderheitler“) geführt. Seither waren die Anhänger Lenins als „Bolschewiki“ oder „Bolschewisten“ bekannt.

Am 26. Oktober 1917 übernahmen Lenin und seine Anhänger mit dem berühmten Sturm auf das Winterpalais des Zaren die Macht in Petrograd. Nach einem mörderischen Bürgerkrieg mit zehn Millionen Opfern und über 1,5 Millionen von den Bolschewisten ermordeter „Klassenfeinde“ wird die Rote Armee 1920 vor den Toren Warschaus gestoppt. Lenins Theorie von der, im Zeitalter des Imperialismus als höchster Stufe des Kapitalismus, unmittelbar bevorstehenden proletarischen Weltrevolution war damit gescheitert. Und damit nicht genug: Es kam zur Entstehung von Gegenbewegungen, wie dem italienischen Faschismus, dessen Begründer Benito Mussolini 1914 als damaliger Chefredakteur der Parteizeitung der italienischen Sozialisten zum glühenden Kriegsbefürworter und Nationalisten wurde und 1922 mit dem Marsch auf Rom die Macht in Italien übernahm.

Auch der ökonomische Teil des Marxismus, seine Arbeitswertlehre und seine Kapitalismuskritik, wurde frühzeitig widerlegt. Häufige Leser dieser Seiten kennen die von Ludwig von Mises 1922 veröffentliche Schrift „Die Gemeinwirtschaft – Untersuchungen über den Sozialismus“. Darin wies von Mises bekanntlich nach, dass ohne (Sonder-) Eigentum an den Produktionsmitteln kein Wettbewerb möglich ist, sodass Preise nicht frei gebildet werden können. Ohne freie Preisbildung ist aber die Wirtschaftsrechnung unmöglich, also die Feststellung, ob ein Unternehmen rentabel wirtschaftet und es nicht gegen die eigentliche Nachfrage produziert. Diese Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung musste später schließlich der Sozialist und polnische Ökonom Oskar Lange 1932 in einem Disput mit Ludwig von Mises zerknirscht eingestehen. Als Ausflucht erfand Lange einen absurden „Konkurrenz-Sozialismus“: Die staatlichen Planungsbehörden sollten sich an US-amerikanischen Warenhauskatalogen orientieren. Außerdem schlug er vor, dass „als ständiges Mahnmal der Notwendigkeit korrekter Kalkulation“ die Statue von Ludwig von Mises einen prominenten Platz in der Ehrenhalle der zentralen Planungsbehörde jedes sozialistischen Staates haben sollte.

Das Problem war also, dass die orthodoxe marxistische Theorie nun auch ökonomisch gescheitert war und dass ihre Fortentwicklung, der Marxismus-Leninismus, militärisch nur bis Warschau kam.

In dieser Situation entwickeln intellektuelle Marxisten das, was wir heute als Neomarxismus bezeichnen und was den Zusammenbruch der kommunistischen Staaten Osteuropas 1989 leider überlebt hat. Die Geschichte des Neomarxismus wird uns in Teil 2 beschäftigen.


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