30. Dezember 2023 12:00

Wirtschaft Die Ökonomik der Diskriminierung – Teil 2

Handelsbeschränkungen als staatlich oktroyierte Diskriminierung

von Karl-Friedrich Israel

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Bildquelle: Chris Troch / Shutterstock Freihandel: Verhindert Diskriminierung

Gary Becker lieferte in seiner Doktorarbeit „The Economics of Discrimination“ einige bahnbrechende Einsichten in die ökonomischen Dimensionen der Diskriminierung. Seine Schlussfolgerungen lassen sich im Lichte vieler anderer Fragestellungen, die das Wirtschaftsleben betreffen, kontextualisieren und besser verstehen.

Man nehme zum Beispiel das klassische Argument für den Freihandel. Warum ist Freihandel grundsätzlich eine gute Sache? Er erlaubt es, auf internationaler Ebene komparative Kostenvorteile auszunutzen. Durch Kooperation, Spezialisierung und Arbeitsteilung steigen die Gesamtproduktivität und damit der allgemeine Lebensstandard. Was auf individueller Ebene gilt, stimmt auch auf internationaler Ebene: Kooperation fördert Wohlstand.

Was steht der vollkommenen Ausschöpfung dieser komparativen Kostenvorteile im Wege? Grundsätzlich gibt es natürliche und künstliche Grenzen für die internationale Arbeitsteilung.

Zu den künstlichen Grenzen zählen alle durch die Politik auferlegten Handelsbeschränkungen. Alle Formen der merkantilistischen Abschottungspolitik, wie Zölle, Ein- und Ausfuhrverbote für bestimmte Güter, aber auch bestimmte Formen der Regulierung von Märkten, verhindern das Ausschöpfen wirtschaftlicher Potenziale.

Zu den natürlichen Grenzen zählen unsere Wissenslücken. Manchmal wissen wir nicht, wo es noch unausgeschöpfte Potenziale gibt. Und manchmal wissen wir zwar, dass es sie grundsätzlich gibt, aber uns fehlt noch das technologische Wissen, um sie rentabel auszuschöpfen. Ein passendes Beispiel sind Transportkosten. In dem Maße, wie technologischer Fortschritt die Transportkosten senkt, werden intensivere Formen der internationalen Arbeitsteilung rentabel. Mit den Fortschritten in der Schifffahrt konnten zum Beispiel immer größere Mengen an Handelswaren über längere Seerouten transportiert werden.  

Außerdem gibt es aber noch eine weitere Grenze für wirtschaftliche Kooperation: individuelle Präferenzen. Manche Menschen möchten in gewissen Bereichen nicht mit anderen Menschen kooperieren. In manchen Kontexten nennen wir das Diskriminierung. Gary Becker stellte in seiner Analyse klar, dass künstlich implementierte Grenzen für den Freihandel und Diskriminierung vielfach identische wirtschaftliche Folgen haben. Sie verursachen materielle Wohlfahrtsverluste auf beiden Seiten.

Nehmen Sie einmal an, dass Europäer Lebensmittel aus Afrika grundsätzlich nicht kauften, weil sie von Afrikanern produziert werden, obwohl sie ansonsten von ähnlicher Qualität sind wie die heimischen Konkurrenzprodukte. Europäer würden nur dann eine Ausnahme machen, wenn die afrikanischen Produkte zu überaus niedrigen Preisen angeboten würden. In diesem Fall diskriminieren Europäer gegen Afrikaner. Ein Schaden entsteht auf beiden Seiten. Die afrikanischen Landwirte erleiden einen Schaden, weil sie in Europa weniger absetzen können und zu niedrigeren Preisen verkaufen müssen. Europäische Konsumenten müssen die Lebensmittel von heimischen Produzenten zu leicht höheren Preisen kaufen, als es ohne die Diskriminierung unter dem Konkurrenzdruck der afrikanischen Landwirte der Fall wäre. Die europäischen Landwirte haben einen Vorteil von der Diskriminierung.

Künstliche Handelsbarrieren hätten identische Wirkungen. Zölle auf landwirtschaftliche Produkte aus Afrika würden den Absatz der afrikanischen Landwirte in Europa verringern. Ihnen bliebe vom Verkaufspreis ein kleinerer Betrag übrig als ohne Zölle. Europäische Konsumenten müssten zu höheren Preisen von europäischen Landwirten kaufen. Die europäischen Landwirte würden sich freuen.

Der entscheidende Unterschied ist, dass die europäischen Konsumenten im ersten Fall frei entscheiden. Im zweiten Fall nicht. Im ersten Fall folgen sie schlicht ihren Präferenzen. Sie kaufen nicht von Afrikanern – vielleicht weil sie Rassisten sind. Im zweiten Fall kaufen sie nicht von Afrikanern, weil der Staat den Preis der afrikanischen Produkte künstlich in die Höhe treibt. Wir können also sagen, dass Zölle und andere künstliche Handelsbarrieren letztlich so etwas wie staatlich oktroyierte Diskriminierung darstellen. Nur wenige Gegner des Freihandels haben je aus dieser Perspektive auf das Thema geblickt. Es sollte ihnen zu denken geben, denn typerweise sind sie auch ganz vehemente Gegner der Diskriminierung.  

G. Becker (1971): The Economics of Discrimination. The University of Chicago Press


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