10. Februar 2024 11:00

Ökonomie Über die Vorteile des Schwarzmarkts

Er ist oftmals nicht das Problem, sondern eine Notlösung

von Karl-Friedrich Israel

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Bildquelle: spixel / Shutterstock „Schwarzer“ Markt: Naturgemäß umso reger, je mehr der Staat die unternehmerischen Kräfte erstickt

In der vergangenen Woche habe ich einen wissenschaftlichen Aufsatz für eine englische Fachzeitschrift begutachtet, in dem die Autoren versuchten, empirisch zu beweisen, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen der Entwicklung der Finanzmärkte und Schwarzmarktaktivität gäbe. Sie haben zunächst gezeigt, dass Länder mit besser entwickelten Finanzmärkten tendenziell weniger Schwarzmarktaktivität haben. Eine bloße Korrelation? Vermutlich nicht. Aber wie erklärt man den Zusammenhang?

Wahrscheinlich würden die meisten Leute intuitiv sagen, dass die Entwicklung der Finanzmärkte Teil der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, und mit ihr die Entwicklung der Finanzmärkte, schreitet voran, wenn der Staat sinnvolle Wirtschaftspolitik betreibt. Das heißt vor allem, dass er nicht zu viel destruktiv intervenieren darf und Über- und Fehlregulierungen von Märkten vermeiden sollte. Es ist hier nicht einmal entscheidend, dass man genau ausbuchstabiert, wie eine „sinnvolle Wirtschaftspolitik“ im Detail aussehen würde. Entscheidend ist lediglich festzustellen, dass sich die Wirtschaft und die Finanzmärkte naturgemäß besser entwickeln, wenn der Staat vernünftige Wirtschaftspolitik betreibt. Dann bieten sich den Menschen viele Chancen. Sie können durch Fleiß, Arbeit, Sparen und Investieren wirtschaftlich aufsteigen und es zu etwas bringen. Es gibt dann deutlich weniger Gründe dafür, im Schwarzmarkt aktiv zu werden. Et voilà! Wir haben eine Erklärung für die Korrelation zwischen Finanzmarktentwicklung und sinkender Schwarzmarktaktivität gefunden. So, oder so ähnlich, hätte jedenfalls meine Erklärung ausgesehen. Es gibt eine zugrunde liegende Ursache, die beide Phänomene hervorruft: eine sinnvolle Wirtschaftspolitik beziehungsweise ein institutioneller Rahmen, der die unternehmerischen Kräfte nicht zum Ersticken bringt, sondern zur Entfaltung, führt zur positiven Entwicklung der Finanzmärkte und geringerer Schwarzmarktaktivität.           

Den Autoren des Artikels wäre solch eine Erklärung wahrscheinlich viel zu plump erschienen. Und außerdem braucht es dafür keine wissenschaftliche Publikation. Das kann man ja auch in einem Absatz in den Freiheitsfunken beschreiben. Der hohe Anspruch der Wissenschaftlichkeit verlangt mehr.

Und so haben die Autoren, auf Basis einiger durchaus fragwürdiger empirischer Methoden, argumentiert, dass die Entwicklung der Finanzmärkte die Reduktion der Schwarzmarktaktivität direkt verursache. Sie haben in ihrer Regression auch für institutionelle Faktoren korrigiert – und tatsächlich, da blieb ein signifikanter Koeffizient bei der Instrumentvariablenschätzung (nicht weiter wichtig, nur ein bisschen Jargon). Und wie es sich gehört, gab es auch noch ein paar Versuche, den Kausalzusammenhang intuitiv zu erklären. Die Autoren meinten zum Beispiel, dass die Finanzmarktentwicklung die Kreditfinanzierung erleichtere, wodurch Unternehmen mehr investieren könnten und damit schneller auf die nötige Größe anwachsen würden, um aus dem Schwarzmarkt in die offizielle Wirtschaft übertreten zu können. Wirklich? Ist es eine Frage der Größe, ob man im Schwarzmarkt aktiv ist? Es gibt hier zwar eine Korrelation: Schwarzmarktunternehmen sind aus guten Gründen im Durchschnitt kleiner als offizielle Unternehmen. Das heißt aber nicht, dass ein Unternehmen nur ab einer bestimmten Größe den Schwarzmarkt verlassen könne. Wenn das so wäre, hätten wir ganz eindeutig ein (Über-) Regulierungsproblem. Für kleine Unternehmen lohnt sich der bürokratische Aufwand nicht, um die diversen offiziellen Regulierungen einzuhalten. Dann wird man eher kein Kleinunternehmer oder versucht sein Glück in der Schattenwirtschaft. Wir landen in jedem Fall wieder beim Elefanten im Porzellanladen: dem Staat und seiner Politik. Sie ist die wesentliche Ursache für Schwarzmarktaktivität. Einen zusätzlichen direkten Effekt der Finanzmarktentwicklung auf die Schwarzmarktaktivität muss man nicht in Abrede stellen. Gut entwickelte Finanzmärkte tragen dazu bei, dass die Möglichkeiten in der offiziellen Wirtschaft und damit die Opportunitätskosten der Schwarzmarktaktivität steigen. Aber natürlich stellt sich immer noch die Frage, wie „gut entwickelt“ auf einen eindeutigen empirisch messbaren Indikator herunterbricht? Ein Thema für ein anderes Mal.  

Ein wissenschaftlicher Artikel muss motiviert werden. Das gehört einfach dazu. Was ist die praktische Relevanz der gewonnenen Erkenntnisse? Und hier gingen die Autoren wirklich über die grundlegenden Prinzipien der Volkswirtschaftslehre hinweg. Sie argumentierten, dass es ganz besonders wichtig sei, die Schwarzmärkte zu bekämpfen, zum Beispiel dadurch, dass man die Entwicklung der Finanzmärkte fördere. Schwarzmärkte seien nämlich ein gesamtwirtschaftliches Problem, denn sie würden das Wirtschaftswachstum reduzieren und schlecht ausgebildeten und unproduktive Arbeitskräfte gefangen halten.

Wo soll man da anfangen? Jeder Mensch mit ein bisschen Lebenserfahrung weiß, wie produktiv und effizient Schwarzmärkte sein können. Und das ist kein Zufall: Schwarzmärkte entstehen nämlich in der Tendenz überall dort, wo das Spielen nach den offiziellen Regeln des Staates zu kostspielig und unproduktiv wäre. Wenn der Schwarzmarkt tatsächlich schlecht ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigt, sollte man das zum Vorwurf erheben? Zum Glück gibt es den Schwarzmarkt, denn die offizielle Wirtschaft scheint für diese Arbeitskräfte tragischerweise wenig Verwendung zu haben. Im Schwarzmarkt sind sie tendenziell produktiver, als sie es in der offiziellen Wirtschaft wären. Und sie werden höher entlohnt. Wäre es nicht so, würden sie sofort aus freien Stücken einer offiziellen Arbeit nachgehen. Grundsätzlich gilt also, dass Menschen auf Schwarzmärkte ausweichen, weil sie produktiver sind. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, innerhalb eines gegebenen politischen Regimes, erhöht der Schwarzmarkt die Produktivität.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum sozialistische und überinterventionistische Wirtschaftssysteme so lange durchhalten? Die Antwort: Schwarzmärkte. Sie sind es, die den Laden am Laufen halten. Es sei hier nur auf zwei gut dokumentierte historische Beispiele verwiesen. Die ehemalige DDR hatte einen florierenden inoffiziellen Tauschhandel, der den Lebensstandard der Menschen, unter den gegebenen Umständen, erhöht hat. Das Problem war nicht der Schwarzmarkt, sondern das Regime. Der Schwarzmarkt war die Notlösung. In Argentinien werden schon seit Jahrzehnten alle wichtigen langfristigen Geschäfte in US-Dollar abgewickelt. Gespart wird sowieso in US-Dollar und auf jeden Fall nicht in argentinischen Pesos. Es gibt deshalb seit Langem einen regen Schwarzmarkt für US-Dollar-Devisen, weil der Staat die Wechselkurse versucht hat zu manipulieren. Jeder benutzt die „cuevas“ auf dem Schwarzmarkt für den Geldtausch, selbst die Bankiers und Politiker. Sie wissen nämlich auch, was ökonomisch effizienter ist.


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